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Zwischen den Stühlen - Wie Kinder elterliche Konflikte und Trennung erleben


Eine Trennung oder Scheidung ist selten eine einfache Entscheidung. Sie bedeutet oft das Ende gemeinsamer Träume, das Loslassen von Gewohntem, das Neuordnen von Leben, Rollen und Beziehungen. Für Erwachsene ist sie meist ein Prozess voller Emotionen: Schmerz, Enttäuschung, Schuld, Wut, Trauer, manchmal auch Erleichterung oder Hoffnung auf Neubeginn. Es geht hierbei nicht um eine Bewertung dieser Gefühle. Diese Phase fordert enorm viel Kraft. Neben der eigenen emotionalen Verarbeitung müssen gleichzeitig viele praktische und organisatorische Fragen geklärt werden: Wohnort, Finanzen, Betreuung, Kommunikation. Und mittendrin stehen die Kinder.

In dieser komplexen Situation möchten Eltern in der Regel das Beste für ihre Kinder. Doch wenn Konflikte stark werden oder ungelöste Verletzungen zwischen den Erwachsenen weiterwirken, geraten Kinder schnell in Spannungsfelder, die sie kaum bewältigen können. Dies geschieht (meist) unbeabsichtigt und häufig zu Beginn auch unmerkbar.


Doppelte Loyalität – wenn Kinder in Konflikte geraten, die nicht ihre sind

Kinder lieben in der Regel beide Eltern. Wenn diese beiden Menschen nun sehr konflikthaft miteinander umgehen oder im Streit auseinandergehen, entsteht für das Kind ein innerer Konflikt:


„Wenn ich Mama lieb habe, verrate ich Papa?“

„Darf ich bei Papa glücklich sein, wenn Mama traurig ist?“

(dies gilt ebenso in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften)


Diese sogenannten Loyalitätskonflikte sind für Kinder schmerzhaft, weil sie sich mit beiden Eltern identifizieren. Beide bilden wichtige Bezugspunkte ihrer Identität. Wenn Eltern schlecht übereinander sprechen oder versuchen, das Kind auf ihre Seite zu ziehen, entsteht in der inneren Welt des Kindes eine Zerrissenheit: Es kann nicht mehr gleichzeitig zu beiden Eltern loyal sein, ohne möglicherweise gegen einen Teil seiner selbst zu handeln.


Hochstrittigkeit – wenn das Familiensystem in Dauerstress gerät

In hochstrittigen Trennungen wird diese Spannung besonders sichtbar. Kinder spüren, wenn Eltern schlecht übereinander sprechen, über sie kommunizieren oder wenn Konflikte in Übergabesituationen eskalieren.

Sie reagieren darauf unter anderem mit Anpassung – versuchen, zu vermitteln, ruhig zu bleiben oder unauffällig zu werden. Manche übernehmen unbewusst die Rolle des „Trösters“ oder „Vermittlers“. Andere zeigen auffälliges Verhalten, Wut oder Rückzug. All das sind Versuche, das System zu stabilisieren.

Doch dauerhaft führt dieser Stress zu einer enormen inneren Belastung. Kinder entwickeln Schuldgefühle, Angst, sich falsch zu verhalten, und beginnen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen.


Identität und die Bedeutung beider Elternteile

Kinder konstruieren ihre Identität immer aus beiden Elternteilen. Sie tragen Merkmale, Eigenschaften und Anteile von Mutter und Vater in sich – unabhängig davon, wie die Beziehung der Eltern zueinander ist. Wenn nun einer dieser Elternteile abgewertet oder ausgeschlossen wird, kann das Kind diesen Teil in sich selbst schwer annehmen.


„Wenn Papa schlecht ist – und ich doch ein Teil von Papa bin – was bedeutet das über mich?“


So entsteht ein innerer Konflikt, der das Selbstbild und den Selbstwert des Kindes langfristig beeinflussen kann. Kinder brauchen das Gefühl, dass beide Eltern „in Ordnung“ sind, um sich selbst als ganz empfinden zu können.


Systemische Perspektive: Das Kind als Spiegel des Systems

Aus systemischer Sicht zeigt sich in den Reaktionen der Kinder oft, was im Familiensystem unausgesprochen oder ungelöst ist. Das Kind wird zum Symptomträger. Nicht, weil mit ihr/ihm „etwas nicht stimmt“, sondern weil es das emotionale Klima des Systems widerspiegelt.

Wenn Kinder nach einer Trennung auffälliger, stiller, ängstlicher oder wütender werden, lohnt es sich zu fragen:

Was möchte dieses Verhalten uns zeigen?

Wofür ist dieses Verhalten ein Hinweis?


Die systemische Haltung richtet den Blick weg von Schuldfragen hin zu Zusammenhängen und erkennt an, dass jedes Verhalten einen Sinn im Kontext hat.


Wie systemisch gearbeitet wird

In der systemischen Beratung kann auf mehreren Ebenen angesetzt werden:

  1. Auf Elternebene

    • Eltern werden unterstützt, ihre Konflikte außerhalb des Kindes zu bearbeiten.

    • Es geht darum, wieder eine Kooperation auf Elternebene zu ermöglichen, auch wenn die Paarbeziehung gescheitert ist.

    • Wichtig ist die Botschaft: „Unser Konflikt ist nicht deiner.“

  2. Auf Kind-Ebene

    • Kinder dürfen ihre Gefühle ausdrücken, ihre Wahrnehmungen benennen und verstehen, dass sie nicht verantwortlich für die Eltern sind.

    • Methoden wie Familienbrett, Figurenarbeit oder Bildarbeit helfen, das innere Erleben sichtbar zu machen.

    • Zentral ist die Erlaubnis: „Du darfst beide Eltern lieben.“

  3. Auf Systemebene

    • Es wird gemeinsam betrachtet, welche Dynamiken, Aufträge oder unausgesprochenen Erwartungen das System belasten.

    • Ziel ist Entlastung: klare Zuständigkeiten, wertschätzende Kommunikation und das Wiederfinden einer funktionalen Ordnung.



Fazit: Kinder brauchen eine innere Erlaubnis und Eltern, die Verantwortung übernehmen- Trennungen sind schmerzhaft und fordernd für alle Beteiligten. Kinder kommen mit Veränderungen besser zurecht, wenn sie erleben, dass die Erwachsenen ihre Verantwortung tragen und sie nicht zwischen Loyalitäten aufgerieben werden.

Systemisch gesehen ist der Konflikt kein individuelles Versagen, sondern Ausdruck einer Überforderung des Systems, das neue Balance sucht. Wenn Eltern lernen, Spannungen zu regulieren, statt sie über die Kinder auszutragen, entsteht Raum für Entwicklung für alle Beteiligten.

Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen Eltern, die in ihrer Unterschiedlichkeit bleiben dürfen, auch wenn das herausfordernd ist.


Gern stehe ich in diesen Prozessen beratend zur Seite. Melde dich gern per E-Mail.


Herzlichst,

Luisa

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