Psychotherapie vs. Systemische Therapie ohne Heilerlaubnis
- lpeine
- vor 1 Tag
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Einleitung
Das Feld psychosozialer Begleitung ist komplex. Nicht jede Form von „Therapie“ ist gleich. Besonders in der systemischen Arbeit gibt es eine wichtige Differenzierung: Die systemische Therapie kann sowohl heilkundlich (mit Approbation) als auch nicht-heilkundlich (ohne Heilerlaubnis) ausgeübt werden. In diesem Artikel erkläre ich, worin sich psychotherapeutische Heilbehandlung und systemische Therapie außerhalb des Heilauftrags unterscheiden, wie systemisch-theoretisch gearbeitet wird, worauf ich in meiner Praxis als systemische Therapeutin ohne Heilerlaubnis setze, und wann ein/e Klient*in besser psychotherapeutische oder psychiatrische Hilfe sucht.
1. Was ist „Psychotherapie“ im heilkundlichen Sinne?
Psychotherapie im gesetzlichen Sinne ist eine Heilbehandlung, also eine medizinisch-psychologische Behandlung psychischer Störungen.
In Deutschland dürfen Psychotherapeutinnen mit Approbation beziehungsweise entsprechend ausgebildete Ärztinnen solche Psychotherapie leisten.
Systemische Therapie ist mittlerweile ein anerkanntes Psychotherapie-Richtlinienverfahren: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die systemische Therapie für Erwachsene als Richtlinienverfahren bestätigt.
Wer diese Leistung über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet bekommt, braucht die entsprechende Qualifikation (staatlich anerkannte Ausbildung, fachkundige Zulassung).
2. Was bedeutet „systemische Therapie ohne Heilerlaubnis“?
Systemische Arbeit beruht auf systemtheoretischen Grundannahmen: Menschen werden nicht isoliert betrachtet, sondern als Teil von Systemen (Familie, Paare, Teams, Netzwerke).
Probleme werden nicht primär als Krankheit einzelner Personen gesehen, sondern als Ergebnis von Interaktionen, Mustern und Kommunikation in Beziehungen.
In der nicht-heilkundlichen systemischen Therapie arbeiten wir mit denselben systemischen Theorien und Methoden (z. B. Genogramme, systemische Fragen, zirkuläres Denken, Hypothesenbildung), aber ohne Heilerlaubnis, Diagnose oder medizinische Behandlung.
Der Schwerpunkt liegt auf Entwicklung, Ressourcenaktivierung, Empowerment und Lösungsorientierung, nicht auf der Pathologisierung.
Solche Angebote können sehr flexibel sein: Mehrpersonen-Settings, Paar- oder Familienarbeit, präventive Begleitung oder Coaching-ähnliche Prozesse.
3. Systemtheoretisch fundierte Ansätze in meiner Arbeit als systemische Therapeutin ohne Heilerlaubnis
In meiner Praxis (als systemische Therapeutin ohne Heilerlaubnis) arbeite ich mit mehreren systemtheoretischen und verwandten Konzepten:
Systemtheorie / Kybernetik
Ich betrachte Wechselwirkungen in Systemen (z. B. Familie, Partnerschaft, Arbeitsumfeld) – nicht einzelne Symptome isoliert.
Ich nutze zirkuläres Fragen („Wenn du deinem Partner sagst, was du brauchst – was könnte er dann denken?“), um versteckte Muster sichtbar zu machen und neue Perspektiven zu eröffnen.
Konstruktivismus
Wir rekonstruieren gemeinsam, wie Probleme Bedeutung bekommen: Was macht ein Verhalten in deinem System „problematisch“? Welche Bedeutung hat es in eurem Beziehungskontext?
Ich unterstütze Klient*innen darin, alternative Deutungen zu entwickeln, neue Geschichten zu schreiben und Lösungsspielräume zu entdecken.
Ressourcen- und Lösungsorientierung
Schon in der ersten Sitzung arbeite ich darauf hin, was funktioniert, was bereits gut ist, welche Fähigkeiten und Stärke vorhanden sind. Dieses Empowerment ist zentral.
Ich setze Interventionen, die helfen, eigene Ressourcen zu aktivieren und zu stabilisieren statt auf Defizite zu schauen.
Mehrperspektivität / systemische Hypothesenbildung
Ich entwickle Hypothesen über Beziehungsdynamiken, die wir gemeinsam reflektieren.
Wir beziehen relevante Personen oder „Systemteile“ ein, wenn sinnvoll (z. B. Familienmitglied, Partner, inneres System), um die systemischen Zusammenhänge zu verstehen und zu verändern.
Selbstorganisation & Veränderung
Ich begleite Menschen dabei, die Selbstorganisation ihres Systems zu stärken: Wie können kleine Veränderungen im Verhalten oder in der Kommunikation große Wirkung entfalten?
Ziel ist nicht, eine „Heilung“ zu erzwingen, sondern nachhaltige, selbstgetragene Veränderung zu ermöglichen.
4. Schwerpunkte meiner nicht-heilkundlichen systemischen Arbeit
Lebens- und Beziehungsberatung: Paare, Familien, Einzelpersonen, die ihre Kommunikation, Rollen oder Muster verbessern möchten.
Krisenbegleitung: Lebens- oder Beziehungskrisen, Übergangsphasen, Umbruchsituationen (z. B. Trennung, Neuorientierung).
Prävention & Entwicklung: Arbeit an Ressourcen, Selbstwirksamkeit, Selbstverständnis, Entscheidungsfindung.
Teamentwicklung & Netzwerkarbeit: Wenn mehrere Personen im System beteiligt sind (Familie, Organisation), wirke ich moderierend, klärend, strukturierend.
Coaching-artige Prozesse: Ziele setzen, Handlungsspielräume entdecken, strategisches Veränderungsdesign.
5. Wo ist die Abgrenzung zur Psychotherapie?
Keine Diagnose / Diagnostik: Ich stelle keine psychischen Krankheitsdiagnosen im ICD- oder DSM-Sinne.
Kein Heilversprechen: Meine Arbeit bietet kein therapeutisches Heilmittel im medizinischen Sinn.
Kein Kassenplatz / keine Abrechnung über GKV: Da ich ohne Heilerlaubnis arbeite, wird meine Leistung nicht über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet.
Nicht für schwere psychische Erkrankungen gedacht: Wenn bei dir eine psychische Störung mit klinischem Bedarf vorliegt (z. B. Depression, Angststörung, Psychose), ist eine heilkundliche Psychotherapie, Psychiatrie oder medizinische Betreuung sinnvoller.
Ethik & Transparenz: Ich erkläre von Beginn an, dass es sich um eine nicht-heilkundliche systemische Begleitung handelt damit du genau weißt, was du bekommst.
6. Wann solltest du psychotherapeutische oder psychiatrische Angebote in Betracht ziehen
Es gibt Situationen, in denen es sinnvoll oder notwendig ist, sich an approbierte Psychotherapeut*innen oder psychiatrische Einrichtungen zu wenden:
Diagnostizierte psychische Erkrankungen: Wenn du von einem Arzt oder einer Fachperson eine Diagnose (z. B. depressive Störung, Angststörung, Essstörung) erhalten hast.
Klinischer Leidensdruck: Starke Symptome, die dein tägliches Leben stark einschränken (z. B. Suizidgedanken, schwere Panikattacken).
Langwierige oder chronische psychische Probleme: Wenn sich Muster über Jahre tief verankert haben und eine strukturierte, evidenzbasierte Psychotherapie sinnvoll ist.
Medikamentöse Behandlung: Wenn Psychopharmaka zum Einsatz kommen sollen oder bereits Teil deines Behandlungsplans sind, brauchst du ärztliche Begleitung.
Abrechnung über die Krankenkasse: Wenn du eine Therapie über die gesetzliche Krankenversicherung anstrebst, ist eine approbierte Psychotherapeut*in mit Kassenzulassung notwendig.
7. Die Rolle der DGSF
Ein wichtiger Bezugspunkt in der systemischen Arbeit in Deutschland ist die DGSF – Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie.
Die DGSF ist der größte Fachverband für systemische Arbeit in Deutschland, mit mehreren Tausend Mitgliedern aus Psychologie, Sozialarbeit, Pädagogik, Therapie, Beratung etc.
In den „Essentials Systemischer Therapie“ beschreibt die DGSF systemische Therapie als wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, das systemische Sichtweisen, Ressourcenarbeit und Mehrpersonen-Settings in den Mittelpunkt stellt.
Gleichzeitig weist die DGSF klar darauf hin, dass nicht jede systemische / systemisch qualifizierte Person automatisch heilkundlich tätig sein darf - je nach Qualifikation und Erlaubnis kann Arbeit ohne Heilauftrag stattfinden.
Auf gesundheitspolitischer Ebene setzt sich die DGSF für die Anerkennung systemischer Verfahren ein und klärt über sozialrechtliche Rahmenbedingungen auf.
Fazit
Systemische Therapie ohne Heilerlaubnis ist eine seriöse, effiziente und ressourcenorientierte Form der Begleitung aber kein Ersatz für heilkundliche Psychotherapie bei psychischen Erkrankungen.
Ich arbeite systemisch, um Beziehungen, Kommunikationsmuster, Ressourcen und Selbstorganisation zu fördern, nicht um psychische Diagnosen zu behandeln.
Wenn dein Anliegen eher in Richtung persönliche Weiterentwicklung, Beziehungsdynamik oder Lebensfragen geht, kann meine Begleitung sehr hilfreich sein.
Wenn du hingegen unter psychischen Symptomen leidest, die diagnostizierbar sind oder medizinisch behandelt werden sollten, ist es sinnvoll, eine Psychotherapeutin / einen Psychotherapeuten oder eine psychiatrische Fachperson aufzusuchen.
Die DGSF ist ein wichtiger Anker: Durch ihre Professionalisierung, Standards und Fachlichkeit wird systemische Arbeit auf hohem Niveau ausgeübt auch ohne Heilauftrag.





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